Jeder, der Kinder hat, kennt diese Situationen: Morgens hetzt man sich ab, um rechtzeitig alle und alles fertig zu bekommen, nachmittags dann das gleiche Spiel in die andere Richtung. Zwischen Kindern, Job, Haushalt und dem Anspruch, immer alles perfekt machen zu wollen, bleibt vor allem eines auf der Strecke: Die Fähigkeit, einfach einmal innezuhalten, den Moment zu genießen und nur für den Augenblick zu leben. Das gehört auch zum Familienleben.
Kinder haben diese natürliche Gabe noch. Mit welcher Hingabe sie eine Schnecke betrachten können! Alles erscheint wichtig: Das Gänseblümchen am Wegesrand, die Enten am See oder einfach nur die Wolken am Himmel. Als Erwachsener ertappt man sich dann oft dabei, dass man in solchen Situationen schnell ungeduldig wird. Dass das Kind minutenlang regungslos einen Stein betrachtet, ist im Zeitplan nicht vorgesehen. Denn dieser ist in vielen Familien ganz schön durchgetaktet und angefüllt mit Verabredungen, Terminen und Kursen – selbst schon bei kleinen Kindern.
Slow Family ist nicht nur ein Modewort
Dabei täte es uns gut, von unseren Kindern zu lernen. Sie zeigen uns, dass das Leben einen anderen Takt schlägt, als jenen, den wir uns selbst auferlegen wollen. „Slow Family“ lautet das Schlagwort — es ist auch der Titel eines Buches, das im vergangenen Jahr erschienen ist. In Slow Family — Sieben Zutaten für ein einfaches Leben mit Kindern (Beltz Verlag) zeigen die beiden Autorinnen Julia Dibbern und Nicola Schmidt, wie sich die eingefahrenen Muster in einer immer technischer und schneller werdenden Welt durchbrechen lassen.
Nachhaltigkeit und Achtsamkeit sind Begriffe, die mittlerweile sehr inflationär gebraucht werden – aber bei Slow Family geht es tatsächlich darum: Der Zeit, vor allem der gemeinsam in der Familie verbrachten, wieder mehr Wertigkeit zu verleihen. Der Schüssel zum Glück erscheint dabei auch ganz einfach: Wir müssen uns von den Kindern inspirieren lassen. Denn von ihnen zu lernen heißt auch immer, sich selbst zu reflektieren und in sich hinein zu horchen, was einem selbst und der Familie gut tut.
5 erste Schritte für mehr Achtsamkeit und Nachhaltigkeit im Familienleben
- Die Woche nicht zu sehr durchtakten: Manche Tage verbringen wir wirklich wie im Galopp. Wir hetzen von Ort zu Ort, von Verpflichtung zu Verpflichtung und haben doch das Gefühl, nie anzukommen. Da hilft nur, die Stopptaste zu drücken und sich zu fragen: Was ist wichtig, was kann vielleicht ausfallen, was kann ganz gestrichen werden? Auch bei Kindern neigen Eltern dazu, die Tage viel zu voll zu packen. Schwimmen, Malkurs, Musikstunde – was Spaß machen soll, wird schnell zur Last. Denn so schön es ist, dass das Kind gefördert wird: Viel wichtiger noch ist ausreichend Raum für freies Spielen ohne Zwang.
- Genug zeitlichen Puffer einbauen: Wer zu viele Termine zu nah aufeinander packt, tut sich keinen Gefallen. Gerade mit Kindern sollte man darauf achten, zwischendurch auch mal Leerlauf zu haben. Das gibt Raum für die kleinen Betrachtungen am Wegesrand, die so ungemein wichtig sind.
- Rausgehen und die Natur entdecken: Draußen wartet ein Wunderland an Abenteuern und Spielspaß – zu jeder Jahreszeit. Kinder brauchen unbedingt Bewegung und die bekommen sie am besten dort, wo sie genug Platz zum Spielen und Toben finden.
- Seine Mitmenschen wahrnehmen: Gerade in den Städten geht der Trend hin zu einem mehr und mehr individualisierten Lebensstil. Wir kaufen online ein, wir stecken unsere Nasen ins Smartphone, wir zelebrieren die Kleinfamilie. Jeder für sich, lautet das Motto – was unendlich schade ist. Denn die Gemeinschaft spielt im sozialen Miteinander eine entscheidende Rolle. Unser Tipp: Einfach mal mit offenen Augen durch den Tag gehen. Eindrücke sammeln. Menschen wieder wirklich begegnen. Wie wäre es einmal damit, das Gegenüber in der U‑Bahn oder im Bus einfach anzulächeln? In den meisten Fällen wird ein Lächeln zurückkommen.
- Smartphone-freie Zeiten einplanen: Eine der größten Herausforderungen der modernen Zeit ist die digitale Flut, die uns täglich überschwemmt. Die Masse an Informationen können wir weder filtern noch verarbeiten, und wer sich ihr nicht zumindest zeitweise bewusst entzieht, wird krank. Zudem klemmen wir uns damit zunehmend von der realen Welt ab – weil wir eben nicht mehr wahrnehmen, was um uns herum passiert. Vor allem gegenüber Kindern sind klare Regeln beim Gebrauch digitaler Geräte daher extrem wichtig. Beispielsweise: keine Handys am Esstisch oder im Bett. Wie genau die Regeln aussehen, definiert jede Familie selbst. Unabdingbar ist aber, dass die Eltern mit gutem Vorbild vorangehen. Nur so kann Slow Family funktionieren.