Jede Familie hat sie, schon bei Neugeborenen finden sie Anwendung und selbst wenn die Kinder erwachsen sind, werden sie einige davon mitnehmen: Rituale sind das Gerüst für einen funktionierenden Familienalltag. Sie vermitteln Kindern Geborgenheit und Sicherheit sowie den Eltern eine Struktur in allen Phasen des Elternseins.
Rituale gibt es in jeder Familie – allen voran natürlich das klassische Ritual zum Schlafengehen. Geschichten erzählen, Gute-Nacht-Lieder singen, eine ruhige und entspannende Atmosphäre schaffen – wie auch immer diese Zeit gestaltet wird, wichtig ist die Wiederholung bekannter Muster.
Rituale bestimmen unser Leben
Wenn man genauer hinsieht, steckt unser Alltag voller Rituale: Die tägliche Vorbereitung der Brotzeitbox für die Kita oder die Schule. Der Weg dorthin. Die Verabschiedung am Morgen. Der feste Platz am Esstisch. Der Lieblingsteller, von dem immer die Spaghetti gegessen werden.
Auch Jahreszeiten sind Rituale, weil sie eben immer wiederkehren. Die blühenden Bäume im Frühling, die Badesaison im Sommer, bunte Blätter im Herbst und die Schneeballschlacht im Winter. Und mit ihnen kommen auch die Feste, allen voran Weihnachten und Ostern als Sinnbild des Rituals schlechthin. Plätzchen backen, Ostereier färben – Kinder haben daran auch deshalb so viel Spaß, weil sie die jährliche Wiederholung dieser schönen Momente lieben.
Denn Ritualen gemeinsam ist, dass sie Orientierung bieten. Sie strukturieren unseren Tag und unseres Jahresablauf. Dadurch wird der Alltag vorhersehbarer und greifbarer. Ängste werden abgebaut, denn Bekanntes ist positiv besetzt – vor allem, wenn es ohnehin schon mit guten Gefühlen besetzt ist.
Ohne Rituale keine Erziehung
Auch für die Erziehungsarbeit sind Rituale daher ein unabdingbarer Faktor. Sie halten eine Gruppe zusammen, auch eine kleine wie die Familie. Schulklassen und Kita-Gruppen können nur funktionieren, wenn es Rituale gibt, die gleichzeitig mit Regeln einhergehen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Morgenkreis. Ähnlich wie dem Einschlaf-Ritual markiert er einen Schnitt, einen Moment der Ruhe und des Innehaltens. Für die Kinder bietet er eine wichtige Orientierung: Unser gemeinsamer Tag fängt nun an. Auch Essensrituale knüpfen hier an, wie auch immer sie dann individuell gestaltet werden.
Die Basis der Gesellschaft
Blickt man über den Horizont von Erziehung und Kinderbetreuung hinaus, stellt man ohnehin fest: Unsere gesamte Gesellschaft beruht auf Ritualen. Der Handschlag zur Begrüßung, die Etikette während eines Besuchs, Begrüßungsformeln – all das trägt dazu bei, dass wir uns im Alltag und im sozialen Miteinander zurecht finden. Besonders bewusst wird uns das immer dann, wenn wir in einen anderen Kulturkreis mit anderen Ritualen eintauchen. Alles wirkt dann fremd, wir sind unsicher, weil wir uns nicht auf Anhieb zurechtfinden.
Und genau daran sollten wir denken, wenn wir danach streben, unseren Kindern Halt und Geborgenheit zu geben. Es mag vielleicht langweilig sein, zum hundertsten Mal die gleiche Geschichte vorzulesen oder das immer gleiche Lied zu singen. Es mag anstrengend sein, durchzusetzen, dass erst einmal alle am Tisch sitzen bleiben, bis alle mit dem Essen fertig sind. Aber es lohnt sich. Experten sind sich einige: Rituale führen nicht nur dazu, dass der Familienalltag durch sie strukturierter wird. Sie haben auch eine klare Auswirkung auf die Entwicklung der Kinder. Durch Rituale reifen sie zu einer starken Persönlichkeit – eben weil sie dadurch Stärke, Vertrauen und Sicherheit gewinnen.
Und genau das macht Rituale so unverzichtbar – für Kinder ebenso wie für Eltern.